Kosmogene Nuklide

Kosmogene Nuklide werden durch Kernreaktionen der kosmischen Strahlung mit Materie produziert. Der erstmalige Nachweis von kosmogenem 4He gelang Paneth et al. schon 1928 [PAN28], konnte aber erst 1952 [PAN52] als kosmogenen Ursprungs identifiziert werden. Die Vorhersage der Existenz von 3He in Meteoriten erfolgte schon 1947 [BAU47,HUN48]. Die Häufigkeiten der kosmogenen Nuklide werden als sog. Produktionsraten (s. Produktionsraten in Meteoroiden) angegeben. Durch Analyse dieser Produktionsraten in extraterrestrischer Materie können nicht nur Informationen über die bestrahlten Körper selbst, sondern auch über die zeitliche und räumliche Konstanz der SCR und GCR entschlüsselt werden. Die entstandenen stabilen oder radioaktiven kosmogenen Nuklide, ihre Bildung und ihre Nachweismethoden werden, soweit es für diese Arbeit relevant ist, im folgenden beschrieben. Die folgende Abbildung zeigt eine Übersicht der kosmogenen Radionuklide mit Halbwertszeiten größer als 1 Jahr.



Stabile und sehr langlebige Nuklide

Stabile kosmogene Nuklide werden über die ganze Expositionsdauer der extraterrestrischen Materie akkumuliert und können wie auch die stabilen Zerfallsprodukte der primordialen Radioisotope (t1/2 > 109 a) mittels Massenspektrometrie oder (R)NAA ((Radiochemische) Neutronenaktivierungsanalyse) nachgewiesen werden. Die Produktionsraten der stabilen Edelgase werden in der Regel in Einheiten von "Kubikzentimeter Gas unter Standardbedingungen pro Gramm und 106 Jahren" [cc STP / (g Ma)] angegeben. Sie sind wie alle Produktionsraten kosmogener Nuklide abhängig von der Bestrahlungsgeometrie, d.h. Meteoroidenradius und Abschirmtiefe der untersuchten Probe. So werden die Bestrahlungsalter der Meteorite über empirisch aufgestellte Abschirmungskorrekturen [EUG88] bestimmt. Die ebenfalls empirische Berücksichtigung der chemischen Zusammensetzung der Meteorite wird über Meteoritenklassen-spezifische Faktoren durchgeführt. Von besonderer Bedeutung ist dabei der hauptsächlich über den natürlichen Magnesiumgehalt bestimmte Abschirmungsparameter, das Verhältnis der kosmogenen Neon-Isotope (22Ne/21Nec) [BHA80].

Die Bestimmung der Abschirmtiefe einer Probe und des Meteoritenbestrahlungsalters über die Konzentrationen der kosmogenen Edelgase ist natürlich vor allen Dingen nur möglich, wenn Diffusionsverluste (insbesondere des Heliums) durch terrestrische Verwitterung oder Schockprozesse ausgeschlossen werden können. Ebenfalls muss bei Meteoritenfunden ein spezielles Augenmerk auf eventuelle terrestrische Kontaminationen geworfen werden. Die größte Schwierigkeit besteht aber wohl in der Feststellung der kosmogenen Komponente innerhalb der Gesamtedelgasmenge. Denn insgesamt stammen die Edelgase neben der kosmogenen Bildung aus drei weiteren Quellen: Einschlüsse der präsolaren Wolke finden sich als "trapped" Gase und der vom Mutterkörper eingefangene Sonnenwind als "solare" Komponente wieder. Des weiteren muss auch der aus dem radioaktiven Zerfall der primordialen Radionuklide gebildete "radiogene" Anteil insbesondere an Ar- und Xe-Isotope erkannt und subtrahiert werden. Unter diesen Schwierigkeiten und aufgrund der empirischen Korrekturen, kann meist nur das über die 21Ne-Konzentration bestimmte Bestrahlungsalter mit Unsicherheiten von 5-20 % als verlässliches Alter angesehen werden und dieses auch nur für Meteoroide mit durchschnittlichen präatmosphärischen Radien (15-50 cm) und Abschirmparametern (22Ne/21Nec > 1,05).



Kurzlebige Radionuklide

Die Analyse kosmogener kurzlebiger Radionuklide ist in der Regel nur bei beobachteten Meteoritenfällen bzw. in Mondproben möglich. In Ausnahmen wurden auch in Meteoritenfunden relativ kurzlebige Radionuklide identifiziert. So konnte z.B. das terrestrische Alter des auch in dieser Arbeit untersuchten L-Chondriten Benthullen  über die vorhandene 39Ar-Aktivität auf kleiner 200 Jahre bestimmt werden [SCH74b]. Kurzlebige Radionuklide (t1/2 < 1000 a) können generell mittels konventioneller Aktivitätsmessverfahren bestimmt werden. Sie werden üblicherweise in Form von Aktivitätseinheiten pro Gewicht, z.B. Zerfälle pro Minute pro Kilogramm [dpm/kg], angegeben. Von besonderem Interesse ist z.B. die Bestimmung des über sekundäre Neutronen gebildeten 60Co, welches somit auch als Tiefenindikator genutzt werden kann. Grundsätzlich muss bei der Analyse der kurzlebigen Radionuklide (z.B. 3H, 7Be, 22Na, 54Mn, 55Fe) in Meteoriten der Einfluss der Sonnenzyklen auf die Sättigungsaktivitäten (s. Kosmische Strahlung) beachtet werden. So spiegeln aufgrund des Gleichgewichtes zwischen Zerfall und Bildung der Radionuklide die gemessenen Konzentrationen, den durch die Sonne modulierten GCR-Fluß innerhalb der etwa sieben letzten Halbwertszeiten wieder. Dies ergibt sich sehr anschaulich aus der Aktivierungsgleichung, die graphisch in folgender Abbildung dargestellt ist. Auch das nach dem Meteoritenfall auf die Erde einsetzende Abklingen der Radionuklide l?st sich nachvollziehen. Darüber hinaus sind die Sättigungsproduktionsraten ähnlich den stabilen kosmogenen Nukliden von der chemischen Zusammensetzung der Meteorite, d.h. der Konzentration der Haupttargetelemente, und damit in der Regel von der Meteoritenklasse abhängig.

 

Langlebige Radionuklide

Analog den kurzlebigen Radionukliden werden die Sättigungsproduktionsraten der langlebigen kosmogenen Radionuklide durch die chemische Zusammensetzung des Targets und der spektralen Verteilung der kosmischen Strahlung während der letzten sieben Halbwertszeiten des untersuchten Nuklids beeinflusst. Grundsätzlich ist die Bestimmung dieser Nuklide aufgrund der geringen Konzentration und der langen Halbwertszeit (geringen spezifischen Aktivität) mittels konventioneller Aktivitätsmessverfahren äußerst aufwendig. Falls es sich um g-aktive Nuklide handelt, ist eine Messung nur unter Verwendung besonders intensiver Abschirmungsvorrichtungen und Kalibriermessungen [PIS94] durchführbar. Alternativ dazu kann - wie z.B. in der Abteilung Nuklearchemie der Universität zu Köln [ALT96] - bei b+-Strahlern mittels Koinzidenz-Technik die 511 keV-Vernichtungsstrahlung detektiert werden. In beiden Fällen sind jedoch große Probenmengen für eine ausreichende Zählstatistik erforderlich. Die Methode der radiochemischen Neutronenaktivierungsanalyse (RNAA) liefert im Falle des 53Mn (s. 53Mn) gute Dienste. Die Methode der Wahl ist allerdings bei vielen Nukliden seit einigen Jahren bzw. Jahrzehnten die Beschleunigermassenspektrometrie (AMS). Eine Übersicht der in dieser Arbeit mittels AMS bestimmten Radionuklide findet sich in folgender Tabelle.

Übersicht der Halbwertszeiten der in dieser Arbeit mittels AMS bestimmten Radionuklide

AMS-Radionuklid Halbwertszeit [106a] Literatur
10Be 1,51 + 0,06* [HOF87]
26Al 0,705 + 0,024 [NOR83]
36Cl 0,301 + 0,002 [FIR96]
41Ca 0,104 + 0,005 [PAU91]
53Mn 3,7 + 0,37 [HON71]
59Ni 0,108 + 0,013 [RÜH94]
60Fe 1,49 + 0,27* [KUT84]
*Neuere Werte: 10Be: (1,387 + 0,012) Ma [KOR10]; 60Fe: (2,62 + 0,04) Ma [RUG09]

10Be

10Be wird in extraterrestrischer Materie über verschiedenste Kernreaktionen gebildet (s. Produktionsraten in Meteoroiden), wichtige Reaktionen sind Compoundkernreaktionen am Sauerstoff und Spallations- und Fragmentationsreaktionen an schwereren Targetelementen. Bei Eisenmeteoriten muß auch die Produktion von 10Be aus den Spurenelementen Phosphor und Schwefel unbedingt berücksichtigt werden [LEY97/97b]. Die Bestimmung von 10Be-Konzentrationen erfolgte bis zur Entwicklung der AMS-Technik über die Zählung der b-Aktivität nach radiochemischer Trennung. Die zur Messung erforderlichen Mengen betrugen etwa 10 g Stein- [NIS87] bzw. 100 g Eisenmeteorit. Die erste quantitative 10Be-Messung in meteoritischer Materie gelang Ehmann und Kohman 1958 [EHM58] u.a. an dem auch in dieser Arbeit untersuchtem Canyon Diablo, wohingegen Raisbeck et al. [RAI78/78b] die erste AMS-Messung des Nuklids zugeschrieben wird. Die AMS-Messungen, die heute mit Tandembeschleunigern statt des in den Pioniermessungen verwendeten Zyklotrons durchgeführt werden, benötigen um über drei Größenordnungen geringere Meteoriteneinwaagen. 10Be-Messungen in extraterrestrischer Materie werden an der Abteilung Nuklearchemie in Zusammenarbeit mit dem ETH/PSI-Beschleunigerlabor in Zürich seit einigen Jahren durchgeführt.

26Al

Die Produktion von 26Al in extraterrestrischer Materie erfolgt hauptsächlich durch Compoundkernreaktionen an Aluminium und Silizium, aber auch durch Spallations- und Fragmentationsreaktionen an Calcium und schweren Targetelementen. Wie auch bei der Produktion von 10Be muß bei Eisenmeteoriten die 26Al-Produktion aus den Spurenelementen Phosphor und Schwefel berücksichtigt werden [LEY97/97b]. Die erste quantitative Bestimmung von 26Al in Meteoriten wurde ebenfalls von Ehmann und Kohman [EHM58] nach radiochemischer Trennung durchgeführt (s. 10Be). Die erste AMS-Bestimmung des Nuklids gelang 1979 Raisbeck et al. [RAI79]. Neben der heute üblichen AMS-Bestimmung sind zwei weitere zerstörungsfreie spektrometrische Methoden die Regel. So kann entweder die Vernichtungsstrahlung mittels g-g-Koinzidenztechniken oder die g-Strahlung selbst detektiert werden. Ein besonderes Augenmerk muß allerdings bei diesen Methoden auf die Kalibrierung bzw. der Bestimmung der Ansprechwahrscheinlichkeit der Detektoren geworfen werden, um Geometriefaktoren und insbesondere Selbstabsorptionseffekte zu berücksichtigen. Auch die Reduzierung des Untergrundes bzw. dessen Korrektur erfordert besondere Maßnahmen [ALT96,PIS94]. Massen von über 10 g an Steinmeteorit [NIS87] werden für eine akzeptable Zählstatistik benötigt, wohingegen die AMS-Technik um drei Größenordnungen empfindlicher ist. 26Al-AMS-Messungen in extraterrestrischer Materie werden seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit dem ETH/PSI-Beschleunigerlabor in Zürich durchgeführt.

36Cl

Für die Produktion von 36Cl sind hauptsächlich drei Kernreaktionstypen verantwortlich: Die Spallationsreaktionen an Eisen und anderen schweren Targetelementen stehen den Compoundkernreaktion an Calcium und den niederenergetischen Neutroneneinfangreaktionen an 35Cl gegenüber. Da der natürliche Gehalt an Chlor in Meteoriten eine große Variationsbreite besitzt, können die Anteile dieser Produktion bis zu einem Faktor fünf variieren. Die Bestimmung des Cl-Gehaltes in einer komplexen Matrix ist nicht ohne Schwierigkeit, so dass meist - unter der Bedingung, dass genügend Probenmaterial zur Verfügung steht - keine Bulk-Analyse durchgeführt wird. Die Bevorzugung der 36Cl-Bestimmung in der metallischen Phase des Meteoriten hat zudem den Vorteil, dass die Neutronen-induzierte Kernreaktion, deren Anregungsfunktion sich nur ungenügend abschätzen lässt, unberücksichtigt bleiben kann. Der Vergleich mit theoretischen Produktionsraten kann sich dann auf die besser bekannte Hochenergieproduktion beschränken. Die erste quantitative Bestimmung einer 36Cl-Aktivität in meteoritischem Material erfolgte über die Messung der β-Aktivität nach radiochemischer Trennung von Honda et al. [HON61b]. Erste AMS-Messungen von 36Cl erfolgten 1978 [ELM78,NAY78]. In der Abteilung Nuklearchemie wurden seit einigen Jahren Versuche unternommen 36Cl in extraterrestrischer Materie zu bestimmen [z.B. SAR85,BRE92], jedoch zeigte sich, dass ein Kontaminationsproblem der Laborräume [VOG88b] die Analyse von Meteoritenproben erschwerte.

41Ca

41Ca wird in der metallischen Phase von Steinmeteoriten bzw. in Eisenmeteoriten als Spallationsprodukt gebildet. In der Silikatphase entsteht es als Niederenergieprodukt aus Calcium und ist somit als Tiefenindikator geeignet. Es schließt aufgrund seiner günstigen Halbwertszeit die recht große Lücke zwischen den kosmogenen Radionukliden 14C und 81Kr bzw. 36Cl (siehe obige Abbildung) und ist demnach ideal zur Bestimmung terrestrischer Alter von Meteoriten (s. Terrestrisches Alter). Eine der ersten quantitativen 41Ca-Messungen von extraterrestrischer Materie erfolgte über Zerfallszählung (Röntgenstrahlung nach Elektroneneinfang) nach radiochemischer Trennung 1975 von Mabuchi et al. [MAB75] am Meteoriten Allende. Die erstmalige AMS-Messung von 41Ca wurde von Fink et al. [FIN84] durchgeführt, wohingegen die erste 41Ca-AMS-Bestimmung in natürlicher Materie in einer Zusammenarbeit zwischen der Abteilung Nuklearchemie und dem Racah Institute of Physics in Jerusalem [PAU85] erfolgte. Zwei der wichtigsten Arbeiten sind sicherlich die 41Ca-Tiefenprofile von Allende [NIS91] und Grant [FIN87]. Leider ist die 41Ca-AMS-Bestimmung aufgrund der anspruchsvollen Probenvorbereitung nicht ganz unproblematisch und gehört demnach auch heute noch nicht zu den Routinemethoden. Nach einigen 41Ca-Bestimmungen in Wirkungsquerschnittsproben [SUD98] wird in dieser Arbeit erstmalig an der ETH/PSI-Beschleunigeranlage 41Ca in Meteoriten gemessen.

53Mn

53Mn wird in erster Linie durch Compoundkernreaktionen an Eisen und zu einem geringen Anteil durch Spallation an Nickel in meteoritischer Materie gebildet. Aus diesem Grunde werden die Produktionsraten üblicherweise auf den Metall- oder Eisengehalt, d.h. [dpm/kg Metall] oder [dpm/kg Fe] normiert. Aufgrund der langen Halbwertszeit ist es ein ideales Nuklid zur Bestimmung von Bestrahlungsaltern von Meteoriten. Wilkinson und Shedline [WIL55] entdeckten 53Mn 1955 beim Beschuss von angereichertem 53Cr-Oxid mit 9,5 MeV Protonen. Sherline und Hooper [SHE57] sagten zwar schon 1957 die Existenz von 53Mn in bestrahlten Körpern voraus, doch der Nachweis in natürlicher Materie erfolgte erst von Shedlovsky [SHE60] an drei Eisenmeteoriten (Grant, Odessa, Williamstown) über radiochemische Separation und anschließender Detektion der Röntgenlinien. Diese Methode erforderte Probenmengen von über 100 g. Nach einem Vorschlag von Millard [MIL65] wurde nach einer empfindlicheren Methode zum Nachweis des 53Mn gesucht. Die Grundidee des vorgeschlagenen aktivierungsanalytischen Verfahrens, welche u.a. von der damaligem Arbeitsgruppe der Abteilung Nuklearchemie aufgegriffen wurde [HER67/69], beruhte auf der Überführung der vorhandenen 53Mn-Atome in das g-spektrometrisch leicht zu detektierende 54Mn. Diese sog. RNAA nutzte demnach die 53Mn(nth,g)54Mn-Kernreaktion aus. Da die Störreaktion 55Mn(n,2n)54Mn von schnellen Neutronen (En > 11 MeV) induziert wird, können nur wenige Kernreaktoren - nur die mit einem günstigen Verhältnis von thermischen zu schnellen Neutronen (104:1) - zur Aktivierung genutzt werden. Diese Störreaktion und die an den nach radiochemischer Trennung verbleibenden Eisenspuren induzierte Kernreaktion 54Fe(n,p)54Mn verursachen den Untergrund, der die Nachweisgrenze auf 10-11 (53Mn/55Mn) festlegt. Details zur Methode, auch hinsichtlich der radiochemischen Trennung vor und nach der Aktivierung, finden sich z.B. in [ENG79,HER69]. Sarafin [SAR85] konnte das Verfahren soweit optimieren, dass Probenmengen meteoritischen Ursprungs im Bereich von 10 mg für eine gesicherte Analyse ausreichten. Nach zeitweiliger Schließung des DIDO-Reaktors des Forschungszentrums Jülich im November 1990 wurden jedoch weltweit keinerlei weitere RNAA-Bestimmungen von 53Mn durchgeführt. Im Rahmen einer Kooperation der Abteilung Nuklearchemie mit dem Beschleunigerlabor der TU München konnte 1987 [KOR87] erstmalig die Bestimmung von 53Mn mittels AMS erfolgen. Die 53Mn-Atome wurden dazu in einem maximalen positiven Ladungszustand (25+, sog. "Nacktstrippen") auf 292 MeV beschleunigt. Aufgrund der geringen Ionenausbeute konnte allerdings nur eine Nachweisgrenze von 3?10-11 (53Mn/55Mn) erreicht werden. Zusätzlich mussten Probeneinwaagen von ca. 1 g Meteorit, entsprechend einer resultierenden Targetmasse an MnO2 von 20-30 mg verwendet werden, so dass dieses Verfahren zwar an Meteoriten [FAE92,KOR87] exemplarisch durchgeführt wurde, aber sich nicht zur routinemäßigen Analysenmethode eignet. Die Beschleunigergruppe der TU München konnte jedoch unter Einsatz eines gasgefüllten Magnetes und mit Hilfe der in dieser Arbeit hergestellten Standard- und Meteoritenproben zeigen, dass die AMS eine echte Alternative bzw. ein Fortschritt gegenüber der konventionellen RNAA-Bestimmung von 53Mn sein kann [ALV96,KNI97b/KNI97c,SCH97e].

59Ni

59Ni besitzt ähnlich dem 41Ca (s. 41Ca) eine Halbwertszeit, die sich sehr gut zur Bestimmung terrestrischer Alter von Meteoriten eignen würde. Die weitaus einfachere AMS-Probenpräparation von NiO an Stelle von CaH2 würde für die routinemäßige Messung von 59Ni sprechen. Ein zusätzlicher Vorteil des Nuklids ist, dass seine Bildung in extraterrestrischer Materie ausschließlich auf zwei Targetelemente - Eisen und Nickel - beschränkt ist und sich somit seine Produktionsraten, nach Messung der entsprechenden Anregungsfunktionen, sehr gut berechnen lassen würden. Dabei kommt es bei Nickel-haltiger Materie (Meteorite) dominant zur Reaktion von niederenergetischen Neutronen mit 58Ni [SPE86], aber auch insbesondere bei Materie mit kleinem Nickelgehalt (z.B. den Mondproben) neben Spallationsreaktionen an Fe auch zur Compoundkernreaktion 56Fe(a,n)59Ni. Aus diesem Grunde ist 59Ni auch das bisher einzige Nuklid welches als Sonde für solare a-Teilchen fungieren kann [FAE92,KUT93]. Die Detektion von 59Ni erfolgte in einigen wenigen Fällen in extraterrestrischer Materie über die charakteristische Röntgenstrahlung der 59Co-Tochter. So konnten z.B. Goel und Honda [GOE65] die 59Ni-Aktivität im Eisenmeteoriten Odessa zu (70 + 25) dpm/kg und Mabuchi et al. [MAB75] im kohligen Chondriten Allende auf (141 + 10) dpm/kg bestimmen. Erste Versuche dieses Nuklid via AMS zu detektieren, wurden 1990 am Beschleuniger der TU München mittels ?Nacktstrippen" unternommen [FAE90]. Die Nachweisgrenze von 7·10-10 ermöglichte zum damaligem Zeitpunkt allerdings keine routinemäßigen Messungen extraterrestrischer Materie, deren Verhältnisse im Bereich von 10-10 liegen. Die ersten wenigen Messungen an meteoritischem und lunarem Material erfolgten kurze Zeit später [FAE92,KUT93,PAU93]. Kutschera et al. bestimmten z.B. die 59Ni-Aktivität im Pallasiten Admire zu (280 + 50) dpm/kg bzw. (490 + 80) dpm/kg Metall [KUT93]. Dieser Wert konnte durch Röntgenspektrometrie [KOR94,KUT93], aber auch durch zwei weitere AMS-Messung an einem anderen Beschleuniger (TU München, Garching) [KNI92,RÜH94,KNI97c] innerhalb der Fehler bestätigt werden. Darüber hinaus konnten 59Ni-Aktivitäten in zwei Proben des Meteoriten Jilin (ein H5-Chondrit (Meteoritenschauer) mit komplexer Bestrahlungsgeschichte) bestimmt werden [FAE92]. Die Nachweisgrenze am Garchinger Beschleuniger liegt durch Beschleunigung von 59Ni im Ladungszustand 13+ und einer Energie von 198 MeV unter Verwendung eines gasgefüllten Magnetens und Flugzeitmessung bei 1·10-13 [KNI97b], so dass nun eine größere Zahl an Messungen an meteoritischem Material mit akzeptablen Aufwand möglich sind.

60Fe

Die Existenz von 60Fe in Meteoriten, hauptsächlich durch GCR-Spallation an 62,64Ni produziert, war schon länger bekannt. Abschätzungen aus dem Jahre 1961 [ARN61] sagten aber voraus, dass die Konzentrationen zu klein für eine Detektion wären. Goel und Honda machten jedoch 1965 [GOE65] das "angeblich Unmögliche" möglich, indem sie die Eisenphase von 2,5 kg chemisch aufgearbeitetem Eisenmeteoriten Odessa [HON61] mit Kobalt-Träger versetzten und 60Fe über die separierte Messung des kurzlebigen Tochterradionuklids 60Co nachwiesen. Die Aktivität wurde zu (0,9 + 0,2) dpm/kg bestimmt, welche durch eine Normierung auf das Haupttargetelement Nickel (7,1 %, Mittelwert aus [MET97]) einer Aktivität von (12,7 + 2,8) dpm/kg Ni entspricht. Die Weiterentwicklung der AMS-Technik macht heutzutage die Bestimmung von 60Fe mittels Beschleunigermassenspektrometrie möglich. Die genaue Kenntnis der Halbwertszeit des Radionuklids ist für diese Methode allerdings unbedingt erforderlich. Diese wurde von Kutschera et al. [KUT84] auf einen, gegenüber dem bis dahin anerkannten Literaturwert von 0,3 Ma [ROY57], wesentlich höheren Wert von (1,49 + 0,27) Ma bestimmt. Zwei Jahre später [KUT86] gelang es durch den Einsatz eines gasgefüllten Magneten die Nachweisgrenze an derselben Beschleunigeranlage in Argonne soweit herabzusetzen, dass die erstmalige Bestimmung von 60Fe in Meteoriten mittels AMS möglich war. In einer Eisenoxid-Probe, die aus dem Eisenmeteoriten Treysa (der einzige Eisenmeteorit dessen Fall in Deutschland beobachtet wurde) isoliert wurde, konnte innerhalb einer Messzeit von drei Stunden ein Ereignis, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit einem 60Fe zugeordnet werden konnte, gezählt werden. Dieses Ergebnis entspricht einem 60Fe/Fe-Verhältnis von 3·10-14 und liegt damit weit unter der Nachweisgrenze anderer AMS-Anlagen, die momentan Experimente zur Messung von 60Fe zur Bestimmung von Wirkungsquerschnitten und Aktivitäten von radioaktivem Abfall durchführen (z.B. [GAR97]). Im Rahmen der Kollaboration dieser Arbeit mit der Beschleunigergruppe in Garching konnten allerdings Nachweisgrenzen im Bereich von Meteoritenproben erreicht werden. Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in diversen Abstracts [GLO97,SCH95b], einer Diplomarbeit [SCH96] und Veröffentlichungen [KNI97b,KNI99] beschrieben.

 

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